Ein noch immer weit verbreiteter tierischer Irrtum ist die Mär von den Lemmingen, die sich massenhaft von der Küste ins Meer stürzen, um Selbstmord zu begehen.
Die wühlmausartigen Nagetiere leben in Nordeuropa, Nordamerika und Nordasien. Frühe Beobachter erzählten von großen Lemmingschwäremn, die scheinbar gezielt zur Meeresküste eilten und sich dann gemeinsam in den Tod stürzten. Und was lag näher, als dieses Verhalten der Tiere als Selbstmord zu deuten? Also eine menschliche Verhaltensweise einfach auf die Lemminge zu übertragen? Aber mal ehrlich – warum sollten die Tiere so etwas tun? Etwa aus Geldnot, Liebeskummer oder Depressionen? Eher unwahrscheinlich, oder?
Forscher haben den wahren Grund schon vor vielen Jahren herausgefunden: die Lemminge überschätzen sich einfach, wenn sie eine Wasserfläche überqueren wollen, deren tatsächliche Ausdehnung sie nicht kennen. Während besonders warmen Jahren neigen die possierlichen Nager zu Massenvermehrung. Hat eine regionale Population eine gewisse Größe erreicht, dann begeben sich viele Tier auf Wanderschaft. Nahrungsmangel ist der eine von der Wissenschaft vermutete Grund für die Lemmingzüge. Überforderung des Nervensystems aufgrund drangvoller Enge eine weitere vermutete Ursache.
Die Wanderungen des Berglemmings (Lemmus lemmus) wurden häufig beobachtet und erforscht. Meist wandern sie bei Nacht, nur bei Massenzügen auch am Tage. Immerhin 15 Kilometer kann ein Lemmingzug innerhalb von 24 Stunden zurücklegen. An größeren Hindernissen, wie beispielweise am Ufer eines reissenden Flusses, zögern die Lemminge meist nur kurz und stürzen sich dann mutig ins Wasser. Ist der Fluß zu breit und die Lemminge nach einer langen Wanderung schon sehr erschöpft, dann ertrinken zwar viele Tiere. Doch der größte Teil der Gruppe durchwuert das Gewässer und setzt seinen Zug fort. Lemminge sind sehr ausdauernde, gute Schwimmer. Ihr dichtes Fell enthält sehr viel Luft, so daß es wie eine Schwimmweste wirkt.
Während ihrer teilweise wochenlangen Wanderung folgen die Lemminge in den nordischen Fjorden oft den Tälern in Richtung Küste. Dadurch gelangen sie recht oft ans Meer. Nach wie vor vom Wandertrieb besessen, stürzen sich die meist entkräfteten Tiere auch hier ins Wasser. Wenn sie nicht gerade auf eine Insel treffen, sind die meisten Lemminge jetzt allerdings zum Tode verurteilt: sie schwimmen bis zur endgültigen Erschöpfung und werden schließlich eine leichte Beute für Raubfische und Möwen oder ertrinken jämmerlich.
Etliche Tiere eines Zuges nutzen solch ein Hindernis aber auch, um an dieser Stelle eine neue Population zu gründen. Lemminge haben also keineswegs die Absicht, sich selbst zu töten. Sie versuchen einfach nur, ein nasses Hindernis auf dem Weg zu neuen Lebensräumen zu überwinden.
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